Möglicherweise ist das auch gar keine neue Entwicklung, hat doch der Wettbewerb und die Marktwirtschaft in Deutschland schon immer einen schwereren Stand als die staatliche Regulierung und die Umver-teilung. Zweifellos hätte man sich auch bei einigen wirtschaftspolitischen Entscheidungen in den letzten Jahren ge-wünscht, dass wenigstens der jeweilige Bundeswirtschaftsminister laut - und erfolgreich - seine Stimme im Kabinett erhebt und auf marktwirtschaftliche Grundsätze hinweist. Erinnert sei hier nur an die zahlreichen „Renten-Geschenke" der letzten Jahre (Rente mit 63, Grundrente, Mütterrente etc.). Dabei fließt bereits heute ein Drittel des Bundeshaushaltes in die deutsche Rentenkasse - Tendenz weiter steigend. Zukunftsinvestitionen geraten dabei unter die Räder.
Auch ein „Nein" kann also wichtig sein.
Wo aber ist der darüber hinausgehende Gestaltungsanspruch im Bereich der Wirtschaftspolitik? Das Wahlprogramm von CDU/CSU lässt durchaus hoffen, insbesondere mit Blick auf die Themen Unternehmenssteuerreform sowie Bürokratieabbau. Die MIT hat hier wesentliche Punkte einbringen können. Die großen Linien in der Wirtschaftspolitik werden dennoch nicht ehrgeizig genug adressiert.
Wenn wir uns einig sind, dass die Digitaisierung als vierte industrielle Revolution bezeichnet werden kann, ist es dann aus-reichend, nur über den kommunalen Breit-bandausbau zu diskutieren? Wenn wir uns einig sind, dass die Dekarbonisierung und die Elektrifizierung mit der Automobilindustrie eine deutsche Schlüsselindustrie auf den Kopf stellen wird, ist es dann aus-reichend, hier fast ausschließlich über Ladesäulen an deutschen Autobahnen zu diskutieren? Und wenn wir uns einig sind, dass China dabei ist, seine Rolle als „Werk-bank der Welt" hinter sich zu lassen und künftig unsere Unternehmen im Bereich der Hightech-Industrie herausfordern wird, ist dann ein bürokratiereduziertes Jahr für Gründer ausreichend für eine neue Gründer-Kultur in Deutschland?
Um es klar zu sagen, all das sind richtige und notwendige Maßnahmen. Sie würden uns einen Schritt nach vorne bringen. Wir benötigen schnelles Internet (auch auf dem Land), eine dichte Ladeinfrastruktur für Elektroautos und weniger Bürokratie für deutsche Gründer. Wirtschaftspolitik, die einen Unterschied macht, muss aber wieder den Anspruch entwickeln, auch die großen Themen anzugehen.
Nur zwei Beispiele:
• Ein bürokratiereduziertes Jahr wird jungen Unternehmen ohne Frage helfen. Viel wichtiger ist es aber, den systematischen Mangel an Wagniskapital in Deutschland anzugehen. Laut einer Umfrage ist es insbesondere der Mangel an Wagniskapital, der jedes vierte Startup dazu bewegt, eine Abwanderung ins Ausland in Betracht zu ziehen. Der von der Union vorangetriebene „Zukunftsfonds" (Dachfonds) geht bereits in die richtige Richtung. Wenn wir in Deutschland aber eine neue Gründerzeit ermöglichen wollen, dann benötigen wir bessere Rahmenbedingungen für institutionelle Anleger wie Pensionskassen, Versicherungen und Stiftungen; denn der Kapitalmangel in Deutschland beruht insbesondere auf den im Vergleich zu anderen Ländern deutlich strengeren Vorgaben für diese institutionellen Anleger, Wagniskapital bereitstellen zu können.
• Ein schnelles Internet ist die Voraussetzung für die Teilhabe unserer Unternehmen an den Chancen der Digitalisierung. Aber wenn Daten gleichsam die „Rohstoffe des 21. Jahrhundert" sind, dann müssen wir den allein auf Datensparsamkeit zielenden Datenschutz dringend reformieren. Der aktuelle Ordnungsrahmen behindert unsere Unternehmen im internationalen Wettbewerb und bremst unsere Innovationskraft in Bereichen wie Big Data und KI.
Armin Laschet plant ein „Jahrzehnt der Modernisierung." Genau das brauchen wir.
Es wird künftig nicht mehr reichen, „nur" die Vermögenssteuer verhindert zu haben.
Wir müssen jetzt endlich den Kopf heben, vorausblicken und das, was wir da sehen, aktiv gestalten.
Dr. David Preisendanz
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